Gourmelin

Deutscher Whisky spaltet die Gemüter
Glaubensfragen prägten schon immer unsere Welt, Glaubensfragen können die Erdbevölkerung einen oder sie auf ewig spalten. Rheinland oder Westfalen, Schleswig oder Holstein gehören da zu den einfachen Fragen, über die Themen Politik, Religion oder Fußball hüllen wir lieber den Mantel des Schweigens. Unter Freunden des gepflegten Malz- und Gerstenbrandes gab es schon seit Jahrhunderten erbitterte Auseinadersetzungen. Scotch versus Irish, Bourbon oder gar Canadian? Single Malt versus Blend? Seit einigen Jahren hat sich eine neue – nicht minder heftig diskutierte Frage herauskristallisiert: Kann, soll und/oder darf der echte Kenner deutschen Whisky trinken? Einige Puristen fassen die Frage enger: Darf sich deutscher Whisky überhaupt Whisky nennen?
Für Florian Stetter stellt sich solche Frage nicht. Schließlich arbeitet der bayerische Brenner seit über 15 Jahren an einem deutschen Whisky. 1999, so erzählt er stolz, schließlich sei ihm der Durchbruch gelungen. Slyrs (Schlürs gesprochen) nennt sich sein Destillat, der Name ist eine pseudo-gälische Stilisierung von Schliers, wie der Ort Schliersee, die Heimat der Brennerei, von den Eingeborenen genannt wird. Seinen bayerischen Whisky gibt es seit knapp zehn Jahren zu kaufen. Die eigentümliche Idee, einen bayerischen Whisky zu brennen, hatte Stetter an der Wiege des Whisky in Schottland. 1994 besuchte der Nachfahre einer Schnapsbrenner-Dynastie das Land im Norden der britischen Insel. Vieles erinnerte ihn dort an seine Heimat inklusiver der eher rauen, aber herzlichen Eingeborenen, die für Außenstehende oft nur schwer zu verstehen sind.
Nach ausgiebigen Genuss des einheimischen Gebräus verfiel Stetter der Idee, es den Schotten gleich zu tun. Schließlich wurde 2002 ein dreijährige Slyrs zum ersten Mal abgefüllt – in 1600 Flaschen, die nach knapp zwei Wochen vergriffen waren. Seit 2007 steht am Schliersee eine große Whiskybrennerei. Mittlerweile produziert Familie Stetter 60.000 Flaschen (0,7 Liter kosten 43,90 Euro) pro Jahr und ist damit Branchenführer in Deutschland.
Deutschland ist mittlerweile ein Land der Whiskyliebhaber. Der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure (BSI) schätzt den Markt auf rund 39 Millionen Liter pro Jahr. Zwar ist der Anteil deutscher Erzeugnisse bislang eher gering, aber die Zahl der Anbieter steigt und steigt. Die deutschen Whiskybrennereien sind zum größten Teil Klein- und Kleinstbrennerien. Viele davon produzieren auch andere Brände oder betreiben die Whiskyproduktion in kleinen Mengen als Nischen- und Nebengeschäft. So gibt es Whiskey-Destillerien in der Uckermark, auf Rügen, in Witten an der Ruhr, im Harz, im Westerwald, an der Rhön, im Taunus , im Schwarzwald und in Bayern gebrannt, um hier nur einige Orte zu nennen.
Die Zahl der Brenner steigt ständig. Mittlerweile rechnen Experten damit, dass Deutschland in der Zahl der Brennereien mit dem Mutterland des Whiskies Schottland gleichzieht. Erstaunlich oft tummeln sich Bierbrauer im Becken der deutschen Whisky-Brenner: Neben der schwäbischen Rothaus-Brauerei („Tannenzäpfle“) hat auch die Düsseldorfer Altbierbrauerei „Uerige“ seinen eigenen Whisky im Angebot. Auch Österreicher mischen immer häufiger beim Whisky mit. Meist handelt es sich hier um Schnapsbrenner, die noch Kapazitäten frei haben und sich ein wenig an Wasser, Malz und Gerste versuchen.
Die Erfahrung, so die Einschätzung von Experten, kommt dann beim Brennen. Und trinken sollen es dann die Kunden. Aber dem schmeckt halt nicht immer alles, was ihm vorgesetzt wird. Die spezialisierten Foren sind voll mit nicht immer schmeichelhaften Bewertungen. So waren Thorsten K.’s „Erfahrungen mit deutschem Whisky bislang wenig erfreulich.“ Zwar konstatiert er, dass man natürlich die Bemühungen anerkennen müsse, die dahinter stecken, ein qualitativ einwandfreies Produkt zu kreieren, aber: „geschmacklich vermochten sie mich indes trotz meiner unvoreingenommenen Herangehensweise nicht zu überzeugen. Die Assoziation an Obstler kam mir da gar nicht mal, hätte mir möglicherweise sogar geschmeckt, vielmehr fühlte ich mich an jungen, spritigen Grain Whisky erinnert, der so auch aus Schottland hätte kommen können.“ Kollege Bobby schlägt in die gleiche Kerbe: „Die Obstbrenner sollen doch bei ihrem Handwerk bleiben und nicht in anderen Gebieten rumpfuschen.“ Es sei schon merkwürdig, was da in deutschen und anderen Ländern gerade abgehe: „Ist die Brennereilage so schlecht, oder meinen alle – weil die Whiskybranche etwas aufblüht – dabeisein zu müssen. Ich habe einige “Versuche” probieren “müssen” und bin entsetzt, das sich das Zeug überhaupt Whisky nennen darf. Mich hat es etliche Male erheblich durchgeschüttelt.“
Andere Tester sind weitaus milder gestimmt. Sie loben die geleistete Entwicklungsarbeit als auch den Geschmack der deutschen Destilate: „Die Abfüllung ist sehr lecker, extrem sahnig mit fruchtigen Sherry- und Kaffeenoten.“
Den Vergleich mit den schottischen Kollegen wollen viele ganz bewußt nicht gelten lassen. Der rheinland-pfälzische Whisky-Brenner Klaus Georg Gemmer ist stolz auf sein Produkt: „Es handelt sich um einen Whisky aus Deutschland. Kein Scotch, kein Bourbon, kein Irish… Ein Whisky, hergestellt nach überlieferter Tradition. Mit besten Zutaten und in Ruhe gereift.“ Er wolle keinen Whisky nach Anleitung der “berühmten” Brände herstellen, sondern vielmehr ein eigenständiges Produkt kreieren: „Wein gibt es schließlich auch überall auf der Welt und es würde wohl niemand auf die Idee kommen, die Weinbereitung an verschiedenen Standorten der Welt so “polemisch” zu begleiten wie gerade Deutsche “Whisky-Kenner” dies mit Produkten, welche nicht aus Schottland kommen, ab und an tun.“Dem bleibt eigentlich nichts hinzuzufügen.