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Wertvoller als Gold

Besitzer alter Autos können sich auch in der momentanen Krise genussvoll der Medienlektüre hingeben: Der Wert ihrer rollenden Geldanlagen wächst stetig, weil man das Angebot nicht vergrößern kann.

Besitzer alter Autos können sich auch in der momentanen Krise genussvoll der Medienlektüre hingeben: Der Wert ihrer rollenden Geldanlagen wächst stetig, weil man das Angebot nicht vergrößern kann. Selbst der Wert von Gold verblasst gegen die Wertsteigerungen, die Oldtimer zurzeit erzielen. Klassische Automobile zählen zu den sichersten Geldanlagen weltweit. Zudem versprechen die betagten Fahrzeuge eine hohe Spaßrendite.

 

Lehmann-Pleite, Abwertung von Staatsanleihen europäischer Staaten, Bankenkrise, Wertverfall der Euros – und der Goldpreis geht auch langsam aber sicher nach unten. Doch wohin mit dem Geld. Luxemburg und die Schweiz haben als sicherer Hafen ausgedient, Jersey und die Cayman-Inseln droht über früh oder lang das gleiche Schicksal. Da geht eigentlich nur noch Panama, aber das ist vielen dann doch zu exotisch. Die Alternative: Oldtimer. Mit klassischen Fahrzeugen und zu Kultobjekten aufgestiegenen Automobilen können Sammler und Anleger derzeit wenig falsch machen.

 

Über siebeneinhalb Prozent durchschnittliche Wertsteigerung pro Jahr haben die Analysten der Firma Classic Data seit dem Start ihrer repräsentativen Datenbank vor gut 25 Jahren errechnet. In dieser Datenbank werden weltweit alle An- und Verkäufe und Bestände registriert.

 

Zwar sagt der Volksmund, Leidenschaft und Vernunft gingen selten Hand in Hand. Derzeit scheint dies auf dem Oldtimer-Sektor jedoch der Fall zu sein: Klassische Automobile erleben einen ungeahnten Boom. Wertzuwächse von bis zu 300 Prozent in 15 Jahren lassen aufhorchen. Kein Wunder, dass Spekulanten den Markt für sich entdecken. Angesichts niedriger Zinserträge und Inflationssorgen steigt die Bereitschaft, das Geld in beständige Werte zu investieren. Mobilie statt Immobilie lautet da die Devise für Autofans.

 

Für Eberhard Thiesen, den geschäftsführenden Gesellschafter der E.Thiesen KG in Hamburg, ist die Kontinuität der Aufwärtsentwicklung ein Anzeichen dafür, dass der Markt nicht unter Überhitzung leidet. Das bestätigen auch langfristig angelegte Studien von Classic Data.Zwar hätten Globalisierung und schneller Reichtum in manchen Regionen zu außergewöhnlichen Preisausschlägen nach oben geführt, aber die Nachfrage, etwa aus Russland, sortiere sich gerade neu. Thiesen spürt derzeit nur bei Autos unter 70.000 Euro leichte Zurückhaltung. "In diesem Segment beobachten wir seit einigen Wochen ein verhaltenes Interesse. Die Finanzkrise hat hier für Unsicherheit gesorgt. Uneingeschränkt lebhaft sind dafür die Anfragen nach den Top-100-Autos dieser Welt."

 

Dieses Phänomen beobachtet auch Martin Halder. "Einerseits handelt es sich bei Oldtimern um ein nicht vermehrbares Gut, das wertstabil ist und eine hohe Spaßrendite verspricht. Grund genug für Anleger, sich diesem Markt zuzuwenden." Halder hat die Meilenwerke in Berlin, Düsseldorf und Stuttgart gegründet, das sind große Depots mit privaten Oldtimergaragen und dazu passenden Dienstleistern und Werkstätten, die sich um die Autos herum angesiedelt haben. Hier treffen sich Besitzer von teuren wie von einfachen Oldtimern, weshalb Halder weiß, "dass im unteren Preissegment die aktuelle wirtschaftliche Situation bei einigen Kunden den Lebenswandel berührt. Sie agieren deswegen vorsichtiger".

 

Das trifft nicht auf die beiden Klienten zu, für die Eberhard Thiesen derzeit nach Ferrari-Oldtimern sucht. "Die Objekte dürfen durchaus aus der Serie 250 GTO stammen, von denen nur circa 20 Stück gebaut wurden. Bisher waren wir noch nicht erfolgreich." Der Stückpreis dieser Autos wird momentan auf 20 Millionen Euro geschätzt. Ebenso gefragt seien beispielsweise Bugatti 57 S oder Alfa Romeo 8C 2300 Monza. Einer dieser Bugatti wechselte im November in Pebble Beach für sieben Millionen Euro den Besitzer. Vor einem halben Jahr war dieser Typ noch auf einer Auktion des Londoner Auktionshauses Bonhams für vier Millionen Euro versteigert worden.

 

Deutsche Oldtimer sind ebenfalls sehr gefragt: Porsche 356 und 550 Spider oder BMW 503 und 507 heißen vier der Favoriten. Fahrzeuge wie das 503er Cabrio oder der Roadster 507 von BMW weisen alle Eigenschaften auf, die eine solide Wertsteigerung versprechen. Sie sind mit Ledersitzen, Edelholzinterieur und elektrischen Fensterhebern luxuriös ausgestattet, und mit elektrisch versenkbaren Verdecken, Aluminiumkarosserien und starken V8-Motoren waren sie technisch ihrer Zeit weit voraus. Ein 507er wurde gerade für 800.000 Euro ersteigert. Das sind 250.000 Euro mehr als noch vor einem Jahr dafür geboten wurde.

 

Bei solchen Preisen steigen Heiner Horn fast die Tränen in die Augen. Jahrelang hatte der pensionierte Opernsänger eine 356er Porsche in seiner Garage eingemottet. Doch irgendwann entschied er sich, den Wagen für einen 911er einzutauschen. „Das war aktive Geldvernichtung“, erzählt der Bassist. Doch kleiner Trost für den Kölner. Auch der 911er legt ständig an Wert zu. Und so pflegt Horn das gute Stück und erstaut es sorgfältig in seiner Garage neben dem Haus: „Den werde ich gewiss nicht hergeben“, ist er sich sicher.

 

Bei den Porsche-Modellen ist eine vergleichbare Entwicklung festzustellen. Der Wert deutscher Klassiker ist in den vergangenen Jahren wesentlich stärker ­gestiegen als der Durchschnitt. Das dürfte auch so bleiben. Ein wichtiges Kriterium für die Werthaltigkeit ist die Verfügbarkeit von Ersatzteilen. So bieten deutsche Hersteller im Gegensatz zu italienischen und französischen Modellen ­quasi eine ­lebenslange Garantie auf Ersatzteile. „Deutsche Oldtimer kann man aufgrund der hohen Qualität auch für längere Fahrten nützen“, argumentiert Georg Konradsheim, Porsche-Oldtimer-Händler in Wien-Vösendorf.

 

Auch innerhalb einer Marke zählen einzelne Modelle zu den Sammlerhits. „Der Porsche 911 in allen Spielarten und der 924er sind am ­beliebtesten“, weiß Konradsheim. Einen billigen 924 gibt es schon ab 7.000 Euro. Modelle in Top-Zustand kosten im Schnitt bis zu rund 30.000 Euro. Für den 911 blättert man im Schnitt 35.000 Euro hin. „Da besteht auch noch Wertsteigerungs­-potenzial“, analysiert Franz Jüly, Chef des Oldtimer-Händlers Oldie Point in Bruck an der Leitha

 

Überhaupt verliefen die Auktionen zum Jahresende für den Markt ermutigend. Bei RM wurden mehr als 25 Millionen Euro umgesetzt, und bei Bonhams lagen bei der Auktion Anfang Dezember 70 Prozent der Deals über dem Schätzwert. In Thiesens selbst entwickeltem Analysemodell deuten die Indikatoren insgesamt auf eine stabile Marktsituation hin. Es gebe zudem bei vielen Kunden die Tendenz, ihre Portfolios jetzt umzuschichten und gegen Sachwerte wie seltene Autos einzutauschen.

 

Anleger schätzen nicht nur Solidität und kontinuierliche Wertsteigerung, sondern genießen das Privileg, etwas zu besitzen, was es in der Regel nur in ganz geringer Stückzahl gibt. Ganz zu schweigen von einem Vorzug, den weder Aktien oder Festgeldkonten noch Fondsanteile bieten können: Einen Oldtimer kann man aus der Garage holen und fahren.

 

Jochen Strauch,der Geschäftsführer von Classic Data will das Wachstum des Marktes, dessen Volumen allein in Deutschland auf mehr als zwei Milliarden Euro geschätzt wird, zur Expansion seines Angebots nutzen. Die Portale informieren Sammler und Anleger umfassend zu Oldtimern informieren: "Classic Invest" soll im Netz alle Analysen und sonstigen Bewertungen weltweit bereitstellen.

 

Ein zweites Portal mit dem Namen "Traum-Oldtimer und Oldtimer-Traum" zielt auf die emotionale Seite. Hier ortet Strauch das größte Potenzial: "Leidenschaft ist der Motor, der die meisten Männer zu den schönen alten Autos hinzieht. Fasziniert von Technik, Optik und Ton wollen sie eigentlich am liebsten selbst anfangen zu schrauben, trauen sich aber nicht."

 

Dieter Oppenlehner hingegen geht es wie Heiner Horn. Jedes Mal, wenn er in der Zeitung oder im Internet sein altes Auto sieht, ärgert er sich schwarz. Vor einigen Jahren war der nordrhein-westfälische Arzt die häufigen Werkstattbesuche seines Saab 900 von 1989 leid. Er kaufte sich etwas neues und gab den alten Wagen für 800 Euro in Zahlung. Ein wahrhaft schlechtes Geschäft: Heute bringt der Wagen bis zu 8.000 Euro ein.

 

Das passiert nicht selten, wie Roland Kayser, Oldtimer-Händler und Dozent für Geschichte des Automobils an der Berliner Hochschule für Technik und Wissenschaft (HTW). Der Saab 900 ist eines der wenigen Noch-Alltags-Autos, die das Zeug zum potenziellen Klassiker haben.

 

Und ist dieser Status erst erreicht, steigt der Wert der Autos oft schnell und lang anhaltend. „Gefragte Modelle verzeichnen eine durchschnittliche Preissteigerung von etwa zehn Prozent pro Jahr; bei einigen Spitzenmodellen sind es bis zu 35 Prozent“, sagt Ernst Pilger, Oldtimer-Spezialist aus Rosenheim, der als Gutachter für das noble Salzburger Auktionshaus Dorotheum klassische Autos unter die Lupe nimmt und bewertet.

 

Vollkommen unbeeindruckt von der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise klettert der Preis der meisten Autoklassiker von Jahr zu Jahr. So war ein Mercedes 300 SL – der berühmte Flügeltürer aus den Fünfziger-Jahren – noch vor zehn Jahren für rund 190.000 Euro zu haben; heute kostet er mindestens 380.000 Euro.

 

Damit unterscheiden sich Oldtimer eklatant von anderen Luxusgütern. Während die Preise für teure Uhren, Diamanten und bildende Kunst infolge der Finanzkrisen in den vergangenen Jahren stetig gefallen sind, ist so gut wie kein Autoklassiker im Wert gefallen. Im Gegenteil: Die meisten werden stetig teurer. Aber ein Auto als Wertanlage – kann das gut gehen? Volker Kuhn, Vorstand der Stuttgarter Südwestbank, ist von der grundsätzlichen Eignung der Autos als Anlageobjekt überzeugt: „Nur, wenn Sie einen Oldtimer bei der Bank als Sicherheit für einen Kredit einsetzen wollen, müssen Sie höhere Abschläge auf den wahren Wert hinnehmen als zum Beispiel bei einer Immobilie“, sagt der Bankvorstand, „aber als Wertanlage spricht aus Sicht des Bankers nichts gegen einen Autoklassiker.“

 

Ganz im Gegenteil: Für Sachanlagen – und eine solche ist ein teures Auto – spricht in den kommenden Jahren sogar recht viel. Kuhn rechnet in zwei bis drei Jahren "durchaus wieder mit Inflationsraten von fünf Prozent oder mehr". In der letzten Hochinflationsphase in den Siebzigern entwickelten sich die damaligen Oldtimerpreise sehr positiv.

 

Doch jeder potentielle Interessent sollte auch Vorsicht walten lassen: Wertzuwächse im hohen dreistelligen Prozentbereich sind zwar nicht außergewöhnlich, aber eben auch nicht die Regel. Wie in der New Economy kommt es immer wieder zur Bildung von Spekulationsblasen. Ende der achtziger Jahre waren nach dem Tod von Enzo Ferrari plötzlich Sportwagen en vogue: Für noch junge Ferrari 308 und 328 wurden umgerechnet 100.000 Euro - mehr als der Neupreis - gezahlt. Dann fielen die Notierungen allerdings: Heute gibt es gepflegte Exemplare für 50.000 bis 60.000 Euro.

 

„Zur Zeit gewinnt das Thema Sachanlagen als Inflationsschutz bei fast allen Wohlhabenden wegen der stark steigenden Staatsverschuldung enorm an Bedeutung“, bestätigt Joachim Paul Schäfer aus Meerbusch bei Düsseldorf, einer der dienstältesten Vermögensverwalter Deutschlands, der reiche Kunden mit einem liquiden Vermögen ab etwa zwei Millionen Euro berät. Für einen Oldtimer als Wertanlage gälten wohl „dieselben Grundvoraussetzungen wie für andere Sachwerte – seien es Edelmetalle oder Häuser: Ein tendenziell knapper werdendes Angebot sollte auf anhaltend hohe Nachfrage treffen.“

 

Das alles trifft auf die Autoklassiker zu, man muss allerdings das richtige Modell wählen: „Vor allem die Autos, die schon jetzt selten und teuer sind, werden weiter an Wert zulegen; die breite Masse der Allerwelts-Oldtimer dürfte Probleme haben, mit ihrer Wertsteigerung die Kosten für Pflege und Unterhalt einzuspielen“, sagt Gutachter Pilger. Denn die Angebotsknappheit trifft nicht auf jedes Auto zu; die Zahl der Oldtimer insgesamt wächst sogar kontinuierlich, weil immer mehr Fahrzeuge die 30-Jahres-Grenze erreichen; daran wird die Abwrackprämie nur vorübergehend etwas ändern. „Doch ein bestimmtes Modell, das bereits gefragt ist, wird seit mehr als 30 Jahren nicht mehr gebaut. Jedes Jahr scheiden ein paar der raren Stücke durch TÜV oder Unfall aus dem Markt, zugleich wächst die Zahl der Fans kontinuierlich“, so Kayser.

 

Dorotheum-Gutachter Pilger bestätigt dies aus eigener, leidvoller Erfahrung: „Es wird immer schwieriger, sehr gut erhaltene Stücke von einem beliebten Oldtimer für die Auktionen zu finden.“ Dass die Nachfrage derzeit – ungeachtet der weltweiten Wirtschaftskrise – weiter wächst, ist offensichtlich. „Die Gemeinde der Oldtimer-Fans wächst pro Jahr um etwa zehn Prozent – das bedeutet Pi mal Daumen zehn Prozent mehr Nachfrage nach den immer seltener werdenden Autos“, sagt Martin Halder, Initiator des Oldtimernetzwerks Meilenwerk, das Niederlassungen in Berlin, Düsseldorf und Stuttgart betreibt.

 

„Zur Jahrtausendwende gab es pro Jahr rund 600 einschlägige Veranstaltungen in Deutschland – Auktionen, Rallyes, Treffen und Ausstellungen. Heute sind es rund 1600“, sagt Halder. Ähnlich steil nach oben entwickeln sich die Zahlen von Clubs und Mitgliedern; allein der beliebte Porsche 911 zählt rund 100 Fanklubs in Deutschland, weltweit sind es annähernd doppelt so viele. Etwa jeder fünfte vermögende Privatkunde interessiere sich derzeit deutlich stärker für klassische Autos als noch vor ein, zwei Jahren, beobachtet Südwestbanker Kuhn. Die Bank überlegt daher zurzeit, wie sie den Trend zum Klassiker als Kapitalanlage professionalisieren kann. „Ein kleines Team arbeitet seit einiger Zeit intensiv an einem Oldtimer-Index, an dem man die allgemeine Preisentwicklung der Autos weltweit darstellen kann“, berichtet Kuhn. Andere Finanzdienstleiser arbeiten an Fonds-Konzepten für Oldtimer-Investments.

 

Die Anhänger der reinen Lehre unter den Autoexperten sehen diese Derivate eher skeptisch. „Man will schließlich bei schönem Wetter auch mal mit seinem Investment fahren“, sagt Gutachter Pilger. Neben dem Fahrspaß bietet der Oldtimer als Sach-Investment einen weiteren Vorteil gegenüber anderen Luxusgütern: Er schwankt weit weniger im Wert. Der Kunstmarkt zum Beispiel ist anfälliger für Modetrends und nachfolgende Preisblasen. So konnten bis vor einem Jahr auch zweit- und drittklassige Maler fünfstellige Preise für -ihre Bilder erzielen, wenn sie nur im Lebenslauf die Leipziger Kunsthochschule vorzuweisen hatten. Im Windschatten des internationalen Erfolges einiger Leipziger Künstler wie Neo Rauch fuhren sie recht bequem unter dem Etikett „Neue Leipziger Schule“.

 

Beim Oldtimer ist so etwas undenkbar, sagt Pilger. „Ein Modell wird niemals einfach deswegen teuer, weil ein anderes Modell desselben Herstellers Kultstatus genießt“. Die Unterschiede sind ganz im Gegenteil dramatisch – sogar innerhalb ein und derselben Modellgruppe. So ist eine durchschnittliche Citroën DS – welche die Franzosen schon in den Siebzigern wegen ihrer eleganten, weiblichen Linien zu „Déesse“ (deutsch: Göttin) verballhornten – im durchaus fahrbaren und TÜV-fähigen Zustand für unter 12.000 Euro zu haben; das sehr viel seltenere DS Cabrio kostet 60.000 Euro und mehr.

 

Trotz der bereits verbuchten hohen Wertsteigerungen in den vergangenen zehn Jahren kann „ein Oldtimer auch heute noch eine sehr gute Investition sein“, sagt Simon Kidston, der bis 2006 das Europageschäft des britischen Auktionshauses Bonhams geleitet hat und heute selbst mit erlesenen Modellen handelt. „Oldtimer sind nicht komplett rezessionssicher, aber sie sind sicher eine der stabilsten Anlage-formen“, glaubt Kidston. Das gilt aller-dings nicht für Menschen, die zwischendurch mal an ihr investiertes Geld müssen. „Der Markt kann sehr illiquide sein“, warnt Kidston. „Wenn Sie ein Auto unbedingt -verkaufen müssen, kann das sehr schwierig werden und mit Verlusten verbunden sein. Auch einen Oldtimer zu beleihen ist schwer.“

 

Ausufernde Unterhaltskosten eines Fehlkaufs können sogar gut gefüllte Bankkonten in wenigen Jahren tiefrot färben. Diese Erfahrung machte zum Beispiel Gero Illing*, Facharzt an einer großen Berliner Klinik. Anlässlich seiner Beförderung zum Oberarzt vor zwei Jahren gönnte er sich sein Traumauto: einen Citroën SM (siehe Bild rechts oben), Baujahr 1974.

 

Inzwischen genießt der Franzose Kultstatus. Doch „schon bei seiner Präsentation auf dem Genfer Autosalon 1970 wirkte er auf seine Zeitgenossen eher wie ein Raumschiff als wie ein Auto“, sagt Autohistoriker Kayser. Schnell fand er eine Fangemeinde unter Architekten, Ärzten, Werbern, Künstlern und Unternehmern. Probleme gab es aber von Anfang an mit dem Motor, der von Maserati zugeliefert wurde.

 

Sie wurden nie ganz gelöst. Oberarzt Illing hat inzwischen zu den 20 000 Euro, für die er seinen in Braungold-metallic lackierten Traum 2007 erstand, noch mal „locker denselben Betrag reingesteckt; jetzt fährt die Kiste“. Immerhin ist sie auf dem Markt in dem – jetzt perfekten – Zustand bis zu 35 000 Euro wert, sodass der Mediziner unter dem Strich zwar kaum Geld verloren hat, „wohl aber einige Hundert Gramm an Nervengewebe“, wie er meint.

 

„Die hätte er sich sparen können, wenn er einige wichtige Grundregeln beachtet hätte“, kommentiert Pilger. Regel Nummer eins: Im Zweifel das etwas teurere Auto im guten Zustand kaufen, als das vermeintlich billigere, an dem laut Verkäufer „nur noch ein paar Handgriffe zu tun sind“.

 

Vorsicht ist zudem geboten bei Autos, die sich angeblich längst für ein H-Kennzeichen qualifizieren, aus fadenscheinigen Gründen („keine Zeit“, „fehlt nur ein Satz neuer Reifen“) aber trotz des dafür vorgeschriebenen Alters von 30 Jahren immer noch ohne herumfahren. H steht für „historisch“. Mit H-Kennzeichen ist ein Auto in Deutschland von Amts wegen ein „erhaltenswertes automobiles Kulturgut“ und hat freie Fahrt in Feinstaubzonen sowie Zugang zu günstigen Oldtimer-Versicherungs- und -Steuertarifen. Dem begehrten H-Kennzeichen können vor allem plumpe Verbastelungen und unsachgemäße Reparaturen im Weg stehen, welche das Auto zu weit vom Originalzustand entfernt haben.

 

Noch schlimmer ist es, wenn Autos schon jahrelang abgemeldet herumstanden. Wenn ein Wagen länger als zwei Jahre keine TÜV-Plakette mehr hat, wird eine teure Vollabnahme fällig. „Abraten muss man zumindest Anfängern auch von allzu exotischen Modellen“, sagt Stefan Röhrig, Leiter des Fachreferats Historische Fahrzeuge beim Verband der Automobilindustrie (VDA). Bei sehr ausgefallenen Autos kann die Ersatzteilversorgung schwierig werden.

 

Zwar hat sich die Situation gegenüber vor etwa zehn Jahren deutlich gebessert. Hersteller wie Audi, BMW, Mercedes oder Porsche haben eigene Classic-Abteilungen, die zeitgenössische Teile und Reparaturanleitungen auf Lager halten und sogar Teile nachfertigen lassen. „Auch bei beliebten ausländischen Marken wie Volvo, Jaguar, Austin, Ferrari, Fiat, Citroën ist die Versorgung mit technischen Metall- und Karosserieteilen inzwischen gut“, sagt Autohistoriker Kayser, „schwieriger ist es generell mit Glas- und Kunststoffteilen.“ Konkret: Einen Ventilstößel für den Porsche aus den Sechzigern gibt es problemlos, notfalls wird er gedreht, eine Alu-Motorhaube für den Citroën DS geht auch noch gut – aber eine intakte Rückleuchte für einen seltenen DeLorean DMC 12 sucht der Besitzer mitunter weltweit monatelang vergebens. Am Ende steht in solchen Fällen oft die traurige Wahl: Auto einmotten oder Sonderanfertigung für Tausende von Euro.

 

Wer sich für einen Oldtimer als Wertanlage interessiert, sollte die Unterhaltskosten in seine Kalkulation einbeziehen: „Die Wartungs- und Reparaturpreise müssen in einer vernünftigen Relation zum Fahrzeugpreis stehen“, warnt Röhrig. Und spätestens hier greift – wie in anderen Metiers der Geldvermehrung auch – das Matthäus-Prinzip („Denn wer da hat, dem wird gegeben“). Weniger christlich ausgedrückt: Der Teufel macht stets auf den größten Haufen. Lukrativ als Geldanlage sind vor allem Autos jenseits der 50.000-Euro-Grenze. „Das Segment unter 25.000 ist schön als Hobby, aber unter reinen Wertsteigerungsgesichtspunkten eher tückisch“, sagt Oldtimer-Dozent Kayser.

 

Der Grund ist mathematisch banal: „Im Durchschnitt erreichen Oldtimer langfristigen Marktstudien zufolge eine jährliche Wertsteigerung von rund zehn Prozent“, sagt Frank Wilke vom führenden Marktbeobachter Classic-Data. „Man muss kein Investmentbanker sein, um sich auszurechnen, dass ein Mercedes 300 SL, der im letzten Jahr von 400.000 auf 440.000 Euro im Wert stieg, selbst relativ saftige Werkstattkosten viel leichter einspielt als ein Ford Capri für 5000 Euro.“ Der Dorfplayboy-Ford legt im Schnitt zwar auch seine zehn Prozent zu, doch allein die Inspektion kostet fast die ganze Wertsteigerung von 500 Euro; kommt noch ein teures Ersatzteil dazu, ist die schöne Rechnung kaputt.

 

Kayser hat einen weiteren Tipp, um das Risiko teurer Reparaturen zu minimieren. „Halten Sie sich an Technik, die bereits zur Markteinführung ausgereift war; die frühere Avantgarde ist heute sehr fehleranfällig, schwer zu reparieren und benötigt teure Experten und seltene Teile.“ Weltweit stehen laut Autohistoriker Kayser nur vier Hersteller im tadellosen Ruf, ihren Kunden bis weit in die Siebzigerjahre hinein überwiegend ausgereifte, bewährte und wenig komplexe Technik verkauft zu haben: Volvo, VW, Mercedes und Peugeot. „Diese Autos haben in der Regel eine einfache Technik, sind auf Zuverlässigkeit hin konstruiert und sehr einfach zu reparieren.“

 

Andere Hersteller, etwa Porsche, Saab oder Citroën, wollten dagegen technische Pioniere sein. „Das Problem an der State-of-the-Art-Technik der Sechziger- und Siebzigerjahre ist, dass sie heute 40 Jahre alt ist. Und entsprechend fehleranfällig“, sagt Wilke. Weniger zuverlässig, aber dennoch lukrativ sind historische britische Sportwagen, vor allem die Baujahre 1949 bis 1979. Es gibt auf der Insel nicht nur ungewöhnlich viele Oldtimer-Enthusiasten, sondern auch eine florierende Szene von Spezialbetrieben, die sich auf den Nachbau von Teilen für Marken wie MG, Triumph oder Austin spezialisiert haben und diese zu fairen Preisen anbieten. Hinzu kommt: Durch das gegenüber dem Euro stark im Wert gefallene britische Pfund können Festlandeuropäer dort inzwischen richtige Schnäppchen machen.

 

Alles andere als ein Schnäppchen sind dagegen sogenannte Supercars von der Insel, die mit besonders illustrer Technik aufwarten. Wie der McLaren F1, der mit 377 Stundenkilometern Spitze noch heute jeden Porsche, Ferrari oder Lamborghini abledert und nur 100-mal gebaut wurde. „Auch, wenn Sie es nie fahren, muss so ein Auto einmal im Jahr zum Service“, sagt Klassiker-Experte Kidston, „dafür müssen Sie bis zu 40.000 Euro veranschlagen.“

 

Ein schlechter Kauf war der F1 für seine heutigen Besitzer trotzdem nicht. „Ich habe 1998 einen für 350.000 Pfund verkauft. Das gleiche Auto brachte vor Kurzem auf einer Auktion 4,5 Millionen Dollar“, erzählt Kidston. Da dürften sich Ex-VW-Chef Bernd Pischetsrieder und der britische Star-Komiker Rowan Atkinson („Mr. Bean“) denn doch ein wenig ärgern, dass sie ihre F1 zu Schrott gefahren haben.

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