Gourmelin
Portraits
In dieser Rubrik veröffentlichen wir Portraits von Köchen.
Wenn Kolja Kleeberg losrockt, dann aber richtig. Es ist fast Mitternacht, als der Mann mit dem Spitzbart die Bühne betritt – nein, er springt regelrecht ins Rampenlicht und fängt an, zu singen. Mit dem Refrain ist er nicht ganz zufrieden, er will dass das Publikum mitsingt: „Ich singe ja ohne Mikro lauter als ihr alle zusammen“, feuert er die Gästeschar an. Kolja Kleeberg, das spürt an diesem Abend jeder, ist in seinem Element. Er hat sein Publikum gefesselt und spielt jetzt für und mit ihm. Der Kleeberg, singt er jetzt auch noch, fragen viele. Doch die Frage ist falsch gestellt. Denn der Kleeberg singt schon lange. Jedenfalls länger als er kocht. Dafür jedoch ist er dem breiten Publikum bekannt ist. Kolja Kleeberg ist wahrlich ein Tausendsassa; springt zwischen seinem Restaurant Vau und seinen Fernsehauftritten, zwischen Gesang und seinem Privatleben, scheinbar mühelos hin und her. Die Leichtigkeit, die ihn zu umgeben scheint, rührt wohl von der Art her, wie er erzählt. Eigentlich ist Kolja Kleeberg ein Entertainer und jemand, der wundervoll erzählen kann. Und nur allzu leicht vergisst der Erzähler, dass Kolja Kleeberg vor allem und zuerst, ein hervorragender Koch ist. Und schon wieder erzählt er: Von der Oma, die seine Eltern im Sommer 1964 besuchen wollten. Aus dem oberbergischen Wiehl fuhr Familie Kleeberg also nach Köln. Kurz vor dem Ziel, einer Seitenstraße der Zülpicher Straße fuhr Vater Kleeberg über ein Schlagloch. Folge: Das Fahrtziel wurde flugs verlegt, das neue Ziel war das Evangelische Krankenhaus Köln-Lindenthal, wo der kleine Kolja wenig später das Licht der Welt erblickte. Doch zurück zum Kochen, oder doch lieber erst zur Schauspielerei? Beim gebürtigen Kölner hängt beides eng miteinander zusammen. Kolja verspürte schon zu Schulzeiten einen unbändigen Drang zu den Brettern, die die Welt bedeuten. Noch zu Schulzeiten schloss er sich der Schauspiel-AG an und nahm dort Schauspiel- und Gesangsunterricht. Fester Berufswunsch damals: Als Schauspieler ans Theater zu gehen. Direkt nach dem Abi und Zivildienst ersuchte Kleeberg, bei verschiedenen Schauspielschulen um Aufnahme: „In Hannover nahmen sie 11 von insgesamt 1200 Bewerbern, in Essen sah es nicht anders aus.“ Ein Jahr lang arbeitete er als Regieassistent am Koblenzer Theater. Er startete einen weiteren Versuch in München – mit dem gleichen Ergebnis: „Von dieser Bewerbung kam ich derart frustriert nach Hause, dass ich beschlossen habe, eine Kochlehre zu beginnen.“ Vom Schauspieler zum Koch? Und das aus Frustration? „Kochen war das einzige, was ich sonst noch konnte“, erläutert Kleeberg, „das habe ich schon immer gerne gemacht.“ Die Eltern hatten sich in Koljas früher Kindheit getrennt, der Sohn wuchs bei der Mutter auf. Da die tagsüber arbeitete, gingen beide häufig in Gasthäusern essen, was beiden mit der Zeit auf den Nerv ging. In der Folge lernte Kleeberg früh, am Herd zu stehen: „Die Kochlehre“, so resümiert er heute, „war gewiss kein Rückschritt, obwohl ich das damals bestimmt anders gesehen habe. Ich habe mich in die Kochlehre zurückgezogen, wie in ein Schneckenhaus, in sicheres Terrain, in dem ich mich auskannte“ In Koblenz hat er die Kindheit verbracht, die Lehre verschlug ihn dann nach Bonn in ein kleines, aber feines Restaurant, das damals schon nur mit frischen Produkten arbeitete. Als der Patron das Restaurant schloss, vermittelte er den Lehrling ins benachbarte „Le Maron“, wo Kleeberg das erste Mal mit einem Gourmetrestaurant in Berührung kam. Auf seinen weiteren Stationen dann, blieb er in der feinen Küche treu. Über Anstellungen bei Rino Cassati in Köln und einem kurzen Abstecher nach Paris verschlug es den hoffnungsvollen Nachwuchskoch über eine weitere Station in Köln nach Berlin. Dort machte sich Kolja Kleeberg 1993 gemeinsam mit drei Freunden selbständig. „Keine gute Idee,“ wie der Sternekoch heute lapidar feststellt. Alle vier waren Köche. Gemeinsam hatten sie eine Idee, aber jeder von ihnen wollte das gemeinsame Ziel auf unterschiedlichen Wegen erreichen. Über das Projekt zerbrachen die Freundschaften und das Projekt scheiterte schließlich. Doch Kleeberg wäre nicht Kleeberg, wenn er nicht schon ein neues Projekt in Aussicht gehabt hätte. Ein Berliner Investor suchte für sein neues Projekt, ein Restaurant mit dem Namen Vau, einen talentierten Koch. Kleeberg hörte sich die Vorstellungen des Finanziers an und sagte zu. Dabei hatte dieser ungeheuer ehrgeizige Ziele ausgegeben, die es binnen einen Jahres einzuhalten galt: Nicht mehr als 35 Prozent des Umsatzes sollten für Wareneinsatz ausgegeben werden, nicht mehr als 35 Prozent für Personalkosten. Zudem sollte das Restaurant nach 365 Tagen 16 Gault Millau-Punkte und einen Michelin-Stern aufweisen. „Diese Ziele schienen alle so völlig unrealistisch, so völlig hoch angesetzt, das ich mir völlig klar war, das sei niemals zu erreichen.“ Dennoch wagte Kleeberg gemeinsam mit seiner Frau diesen Schritt – mit Erfolg. Das Vau eröffnete am 7. Februar 1997. Nach dem ersten Jahr wurde jedes einzelne Kriterium erfüllt. Kleeberg schmunzelt noch heute: „Das war eine fantastische Team-Leistung, da hat einfach alles gepasst.“ Das Team ist ihm enorm wichtig. „Ich bin kein Drücker. Die Leute sollen sich bei mir selbst entwickeln.. Das Geheimnis des Erfolgs ist ein homogenes Team. Ich hatte bislang sehr selten Stress im Team.“ Das Vau reüssierte sehr schnell, genauso schnell allerdings verabschiedete sich der Investor. Den ließ die Treuhand Mitte 1998 aus dem Verkehr ziehen als bekannt wurde, dass er bei der Abwicklung alter DDR-Unternehmen Geld veruntreut habe. Kleeberg und Frau, die beide zuvor zu Geschäftsführern ernannt worden waren, führten den Gourmettempel drei Jahre lang wie ein eigenes Restaurant, ehe es ihnen 2002 gelang, das Vau zu kaufen. Geholfen hat ihm dabei auch seine TV-Präsenz: „Dadurch hatten wir ein wenig Eigenkapital, mit dem wir bei der Bank auftauchen konnten, um die nach dem Rest zu fragen.“ Gestartet war Kleebergs TV-Karriere 2001. Damals suchte das Frühstücksfernsehen des Privatsenders SAT1 einen Koch, der Berliner Koch bewarb sich und wurde angenommen: „Einen Rote-Beete-Meerettich-Shooter habe ich in der ersten Sendung präsentiert“, erinnert er sich noch heute genau. In über 600 Sendungen hat er für den Berliner Sender gekocht. Seit 2005 nun kocht der Vau-Chef nun erst bei Kerner jetzt bei Lanz in den gleichnamigen Sendungen beim ZDF. Trotz TV, trotz Singen, die Hauptsache bei Kolja Kleeberg ist das Kochen. Am allerliebsten kocht er gemeinsam mit oder für Freunde. Das ist sein Hauptantrieb: „Ich glaube, ich mache das alles, weil ich Menschen mag“, erzählt er. Als Kind bei der Mutter aufgewachsen, hat er immer große Familienfeiern vermisst. Und als Koch sei man ja Gastgeber für viele Menschen, da habe er Tag für Tag Menschen zu Gast, auch deshalb sei er Koch worden: „Deshalb genau mache ich das.“